Von der Orchesterschule KLANGwelt in Jena zum Althorn-Studium nach England
„Wenn man es genau nimmt, dann verdanke ich es eigentlich zu einem nicht unerheblichen Teil meiner Schwester, dass ich mich damals für das Althorn entschieden habe. Für mich war nämlich auch das Flügelhorn interessant, aber das hat ja sie schon gespielt. Deswegen ist es dann das Althorn geworden – eine Entscheidung, die ich nie bereut habe, zumal mich ja dieses Instrument in der Zukunft auch beruflich begleiten wird!“ Anabel Voigt ist die Freude bei diesem Nachsatz deutlich anzusehen. Die langjährige Solohornistin der Jugend Brass Band BlechKLANG (JBBBK) und seit 2019 auch Solohornistin der Brass Band BlechKLANG (BBBK) hat zu Beginn dieses Jahres einen Studiumsplatz in England erhalten. Im Herbst 2020 wird sie nun die erste Deutsche sein, die zum Studieren im Fach „Althorn“ nach Großbritannien geht. Über ihren persönlichen Weg vom Instrumentenkarussell an der Orchesterschule KLANGwelt bis zur bestandenen Aufnahmeprüfung am Royal Birmingham Conservatoire in Birmingham haben wir mit ihr ausführlich gesprochen.
Orchesterschule KLANGwelt (OSK): Hallo Anabel, schön, dass Du Zeit für dieses Interview gefunden hast. Bei Deinem Üb-Pensum hast Du ja nicht sonderlich viel Freizeit, richtig?
Anabel Voigt (AV): Das kann man so sagen. Wenn man mal die Schule und die Vorbereitungen aufs Abi außen vor lässt, dann nutze ich eigentlich jede freie Minute zum Üben. Durch die Corona-Krise sind zwar leider einige Konzert-Termine abgesagt, aber ich möchte mich trotzdem gern konstant verbessern und da spielt das häusliche Üben nun mal eine zentrale Rolle.
OSK: Dass die Musik einmal einen solchen Platz in Deinem Leben einnehmen würde, damit hast Du ganz am Anfang Deiner Blechblas-Ausbildung wahrscheinlich nicht gerechnet. Wie bist Du denn überhaupt zum Althorn gekommen?
AV: Angefangen hat alles im Jahr 2008 mit einem Instrumentenkarussell. Hier habe ich so gut wie alles von Kornett bis Posaune einmal ausprobiert und getestet. Am Ende stand für mich fest: Es wird entweder das Althorn oder das Flügelhorn. Ausschlaggebend war dann die Tatsache, dass meine Schwester Isabel bereits Flügelhorn gespielt hat. Also entschied ich mich für das Althorn.
OSK: Hast Du diese Wahl je in Frage gestellt?
AV: Nein, absolut nicht! Das Althorn ist ein einzigartiges Instrument. Denn ähnlich zur menschlichen Stimme kann es sowohl weich und warm als auch sehr direkt und durchdringend klingen. Es ist quasi möglich, das gesamte Spektrum der Klangfarben abzubilden. Das finde ich extrem spannend und deswegen ist es auch sehr schade, dass das Althorn immer noch so wenig bekannt ist. Hoffentlich kann ich vielleicht etwas daran ändern …
OSK: Wir werden Deinen Werdegang auf jeden Fall verfolgen, immerhin hat er ja bei uns angefangen. Wie ging es denn damals nach dem Instrumentenkarussell weiter?
AV: Zu Beginn meiner Ausbildung war mein Lehrer an der Orchesterschule KLANGwelt Christian Reisner. Im Jahr 2011 bin ich dann zu Alexander Richter gewechselt. Parallel dazu habe ich quasi von Anfang an bei den damaligen Brass Kids gespielt. Als diese in 2015 zur Jugend Brass Band BlechKLANG wurden, übernahm ich die Solostimme im Althorn. In dieser Position konnte ich viele spannende Dinge erleben. Wir haben z. B. die Deutsche Jugend Brass Band Meisterschaft 2018 gewonnen und konnten dadurch an der Europäischen Jugend Brass Band Meisterschaft 2019 in Montreux teilnehmen, wo wir den vierten Platz erreichten. Mit der Brass Band BlechKLANG hatte ich die ersten Projekte im Jahr 2017. Hier war ich an der CD-Produktion „KLANGspuren“ beteiligt und fing an, bei den kammermusikalischen Weihnachtskonzerten „Blech trifft Orgel“ mitzuwirken. Seit 2019 spiele ich in dieser Band ebenfalls die Solostimme und konnte mich im gleichen Jahr bereits bei den Kirchenkonzerten als Solistin präsentieren. Zudem war ich beim Sieg im Brass Band Entertainment Wettbewerb in Osnabrück dabei.
OSK: Stichwort „Solistin“ – als angehende Profi-Musikerin wirst Du Dich ja vermutlich häufiger in dieser Form einem Publikum präsentieren. Wann hast Du gemerkt, dass Dir das Freude bereitet?
AV: Die ersten Erfahrungen in diese Richtung konnte ich als Mitglied des Blechbläserquintetts der Jugend Brass Band BlechKLANG sammeln. Weiter ging es dann mit verschiedenen Solostücken, die ich gemeinsam mit der JBBBK bei Unterhaltungskonzerten und auch bei Wettbewerben gespielt habe. Langsam aber sicher wurde mir dabei immer mehr bewusst, dass mir nicht nur das Musizieren in einer Band, sondern auch das solistische Spiel sehr viel Freude bereitet und ich es liebe, diese Begeisterung zu teilen.
OSK: War diese Leidenschaft dann ausschlaggebend für den Wunsch, die Musik zum Beruf zu machen?
AV: Meine Begeisterung hat auf jeden Fall eine wichtige Rolle gespielt, aber mindestens ebenso entscheidend war mein Kontakt zu verschiedenen internationalen Profimusiker*innen, die ich im Laufe der Zeit bei diversen Meisterkursen wie dem Jenaer Blechbläser-Seminar, der britischen Brass Band Summer School oder dem International Summer Brass Band Camp getroffen habe. Durch den Kontakt zu bekannten Althornist*innen wie Helen Varley, Sheona Wade oder auch Owen Farr konnte ich mir einen Eindruck vom Leben als Profi verschaffen, was einfach unglaublich spannend für mich war. Irgendwann stand dann für mich fest: Ich will das auch!
OSK: Und wie kam es dazu, dass Du Dich für England als Studiumsort entschieden hast?
AV: Althorn zu studieren, ist leider nicht ganz so einfach, weil das Instrument noch nicht so bekannt ist. Waldhorn wird fast überall angeboten, aber Althorn – da sind die Optionen begrenzt. In Deutschland ist es beispielsweise gar nicht möglich. Und in Ländern wie der Schweiz oder Frankreich kann man es zwar studieren, aber nur sehr eingeschränkt und dann auch nicht bei einem Lehrer, der selbst dieses Instrument spielt. In England hingegen ist das Althorn sehr bekannt und auch verbreitet. Genau genommen ist es nirgendwo in Europa so präsent wie dort. Daher gibt es natürlich auch viele Profis auf dem Instrument und von denen möchte ich gern lernen.
OSK: Allerdings kann man vermutlich nicht einfach zu einer beliebigen Universität gehen und sich einfach in das Fach einschreiben, oder?
AV: Das ist richtig. Man muss sich einer Aufnahmeprüfung stellen, um einen Platz zu erhalten.
OSK: Wie genau hast Du Dich darauf vorbereitet?
AV: Zunächst habe ich mich ausführlich darüber informiert, wie genau diese Prüfungen ablaufen, also was gefordert wird, wer im Auditorium sitzt etc. Anschließend habe ich meine Vortragsstücke ausgewählt. Dabei habe ich mich für zwei Titel entschieden, mit denen ich bereits in der Vergangenheit erfolgreich an Wettbewerben (Jugend musiziert 2018, Swiss Alto Horn Festival 2019) teilgenommen hatte. Bei diesen Stücke musste ich also nicht komplett bei Null anfangen, sondern konnte mich voll und ganz auf den musikalischen Feinschliff konzentrieren. Zusätzlich habe ich viel an meiner Technik gearbeitet und vor allem Tonleitern gespielt, denn diese waren ebenfalls Teil der Prüfung.
OSK: Hattest Du Hilfe bei den Vorbereitungen?
AV: Ja, natürlich – ohne Unterstützung wäre dieses Projekt kaum zu stemmen gewesen. Es gibt wirklich viele Leute, denen ich unglaublich dankbar bin. Mein Lehrer Alexander Richter hat mit mir zum Beispiel fast jede Woche an den Stücken gearbeitet und auch ein Empfehlungsschreiben für mich verfasst. Von den Lehrern an meiner Schule habe ich ebenfalls solche Dokumente erhalten. Bei der Übersetzung hat mir dann Andrea Hobson von der Orchesterschule KLANGwelt zur Seite gestanden. Was die Reise zu den Prüfungen selbst angeht, gilt mein Dank meinen Eltern, die mir bei den Planungen geholfen haben und meiner Schwester Isabel, die mich die ganze Zeit vor Ort begleitet hat.
OSK: Wie lief die Prüfung dann ab?
AV: Genau genommen waren es insgesamt zwei Prüfungen, denn ich hatte mich an zwei Universitäten beworben. Der Ablauf war aber jedes Mal ähnlich. Ungefähr eine halbe Stunde vor meinem Vorspiel hatte ich Zeit, um mich einzuspielen und um kurz mit den Korrepetitoren zu sprechen. Dann ging es auch schon los: Kurze Begrüßung, Ansage der Stücke und Action – immerhin war ich nicht die einzige Bewerberin! Deshalb habe ich das zweite Stück auch nicht ein Mal komplett gespielt, sondern nur eine der zwei Seiten. Anschließend musste ich mich aber noch im Blattspiel beweisen. Danach kamen Tonleitern und Arpeggios. Zum Abschluss führten die Prüfer ein kurzes Interview mit mir, in dem es darum ging, was meine Stärken sind, was ich erreichen möchte etc.
OSK: Hast Du Dein Ergebnis direkt im Anschluss erhalten?
AV: Nein, die Unis haben mich noch etwas zittern lassen (lächelt). Erst einige Wochen später wurde ich informiert – und war überglücklich. Beide Prüfungen, denen ich mich gestellt hatte, hatte ich auch bestanden. Entschieden habe ich mich dann aber für das Royal Birmingham Conservatoire in Birmingham, weil ich hierfür auch ein Stipendium erhalten habe.
OSK: Herzlichen Glückwunsch noch einmal dazu – worauf freust Du Dich jetzt am meisten, wenn es im Herbst losgeht?
AV: Eigentlich freue ich mich auf alles: Viele neue musikbegeisterte Menschen kennenzulernen, viel zu üben und mich schnell zu verbessern, in eine neue Kultur einzutauchen und natürlich auch darauf, die britische Brass Band-Szene zu erleben.
OSK: Wir wünschen Dir dafür natürlich alles Gute. Noch eine letzte Frage: Gibt es einen Rat, den Du allen geben möchtest, die jetzt vielleicht darüber nachdenken, den gleichen Weg einzuschlagen wie Du?
AV: Lasst Euch niemals beirren! Geht Euren Weg und macht das, was Ihr liebt, egal was andere sagen und wie schwierig es manchmal zu sein scheint! Das ist das Wichtigste. Ansonsten kann ich es nur empfehlen, viele verschiedene Musiker*innen kennenzulernen, um frühzeitig mit dieser Welt in Kontakt zu treten und nützlich Informationen zu sammeln. Sich zu informieren, z. B. über mögliche Professor*innen etc., spielt eine zentrale Rolle. Genauso wie Feedback: Für die eigene Entwicklung ist es unglaublich hilfreich, sich immer Rückmeldungen zu holen – vom eigenen Lehrer, von Kolleg*innen, im Rahmen von Meisterkursen und auch bei Wettbewerben.
OSK: Vielen Dank für das Interview!