Pädagogische Einblicke I – Februar 2023 – Andrea Hobson
„Warum klingt es bei Ihnen so viel anders als bei meinem Kind?“ Erklärungen zur hohen Bedeutung und den positiven Effekten des regelmäßigen Übens (Andrea Hobson)
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„Seit einem halben Jahr übt mein Kind mindestens einmal pro Woche und macht alles genau so, wie sie es sagen. Trotzdem ist Ihr Ton total anders – wie kann das sein? Was müssen wir ändern, um schnell an den gleichen Punkt zu kommen wie sie?“ Wenn ich solche Fragen höre, bin ich jedes Mal mehr als überrascht. Dennoch werde ich nicht müde, immer wieder zu erklären, dass man einen guten Ton nicht einfach herzaubern kann. Es ist nun mal bekanntermaßen noch kein Meister vom Himmel gefallen. Und es reicht auch nicht, nur die Technik zu kennen und sie korrekt umzusetzen. Nein, das Erlernen eines Blechblasinstruments ist wesentlich vielschichtiger und es gibt dabei keine Abkürzungen. Der entscheidende Faktor lautet schlicht und einfach Übung, kontinuierliche und regelmäßige Übung.
Die Ursache dafür liegt im komplexen Zusammenspiel diverser Faktoren, die über die Qualität des Tons bestimmen. Oder anders gesagt: Wer „schön klingen“ möchte, muss viele verschiedene Aspekte beachten. Atmung, Lippenstellung, Zungenposition etc. – die Dinge, die von Eltern gern mit dem Wort „Technik“ zusammengefasst werden – sind hierbei nur ein Punkt. Ebenso wichtig ist es, dass die Kinder ein Gespür für die Musik entwickeln. Hier geht es um Themen wie Tonvorstellung, Dynamik, Artikulation und Ausdruck, die man nicht mithilfe kurzer Schritt-für-Schritt-Anleitungen erklären kann. Dafür braucht es die kontinuierliche Auseinandersetzung mit Musik und einen ganzheitlichen Ansatz. Und das wiederum erfordert einen gewissen Einsatz von unseren Schüler*innen: Sie müssen durch regelmäßiges Üben ihren Beitrag leisten.
Doch die vermeintliche Mühe lohnt sich! Denn die Vermutung, dass Musikunterricht einen positiven Effekt auf die Entwicklung von Kindern hat, konnte mittlerweile von der Forschung bestätigt werden. Verschiedene Untersuchungen zeigten deutlich, dass Kinder mit Musikunterricht kognitiv und sozio-emotional weiterentwickelt sind.
Diese positiven Auswirkungen sind darauf zurückzuführen, dass durch den Musikunterricht die Verarbeitung akustischer Informationen besonders „trainiert“ wird. Der normale Ablauf dieses Prozesses ist schnell erklärt: Was auch immer beim Ohr ankommt, wird zunächst als Schwingung zum Gehirn übertragen und anschließend in neuronale Signale umgewandelt. Diese werden danach zum Hirnstamm, dann weiter zum Thalamus und schließlich zum primären auditorischen Kortex auf beiden Seiten des Gehirns gesendet. Da dieser Vorgang durch die Ausübung von Musik besonders beansprucht wird, verbessert sich mit der Zeit die Kompetenz, eine „Melodie“ – also bestimmte Klangfolgen – zu erkennen und einzuordnen.
Daraus resultiert wiederum die Fähigkeit, akustische Signale generell effektiver zu verarbeiten, wovon sowohl die Sprachentwicklung, als auch die Sprechwahrnehmung und die Lesefähigkeit profitieren. Und all das sind wichtige Aspekte, die sowohl in unserem Bildungssystem als auch in unserer täglichen Interaktion mit Freund*innen, Lehrer*innen und Mitmenschen zum Tragen kommen. (Wer mehr zu weiteren positiven Effekten erfahren möchte, kann darüber beim „Brain and Creativity Institute“ der University of Southern California nachlesen.)
Daher hat das regelmäßige Üben – so anstrengend es auch manchmal sein mag! – gleich mehrere Vorteile: Es sorgt nicht nur dafür, dass Kinder irgendwann tatsächlich wie ihre Ausbilder*innen klingen, sondern es fördert sie auch entscheidend in ihrer individuellen Entwicklung. Und diese positiven Effekte sollte sich niemand entgehen lassen!